Gesucht: Schildkröten in Berlin

Die invasive Nordamerikanische Buchstabenschmuckschildkröte (Trachemys scripta) ist ein gewohnter Anblick in Berliner Gewässern. Doch sie ist nicht allein: In den letzten Jahren konnten weitere gebietsfremde Schildkrötenarten in der Hauptstadt beobachtet werden - welche Arten es genau sind, ist aber noch unklar. Wir wollen herausfinden, welche Schildkrötenarten in Berlin vorkommen, welche Gewässer besonders betroffen sind und ob die Tiere sich bei uns fortpflanzen könnten. Helfen Sie jetzt mit, die Schildkrötenarten in Berlin zu erfassen!

 

So können Sie mitmachen

Gehen Sie über mehrere Monate regelmäßig an ausgesuchte Gewässer, dokumentieren Sie die dort vorkommenden Schildkröten mit Fotos und laden Sie Ihre Funde im ArtenFinder Berlin hoch. Unser Team prüft die Daten und unterstützt bei der Artbestimmung.  In einem Workshop oder in Einzelgesprächen zeigen wir Ihnen, wie man die Tiere findet, bestimmt und dokumentiert.

Zeitraum: Juni-September 2024 (2025 geplant)

Aufwand: 2 Gebietsbegehungen à 1-2 Stunden pro Monat (nach Absprache)

Voraussetzungen: Eigene Fotoausrüstung mit Zoom-Objektiv oder Spektiv/Fernglas (Handykamera reicht in der Regel nicht aus)

Aufwandsentschädigung: nach Absprache

Anmeldung bis 10. Juni via artenfinderberlin(at)stiftung-naturschutz.de

Die Dokumentation und Bestimmung von Schildkröten mit Fotos ist anspruchsvoll.

Warum ist die Nordamerikanische Buchstabenschmuckschildkröte ein Problem? 

Invasive Arten gefährden die heimische Artenvielfalt und verursachen wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe. Ein Drittel aller invasiven Süßwasserarten stammt aus dem Haustierhandel, so auch die aus dem Südosten der USA stammende Nordamerikanische Buchstabenschmuckschildkröte (T. scripta). In den 1980er und 1990er Jahren wurde die Art in großer Zahl nach Europa importiert. Viele Besitzer*innen setzten die sehr langlebigen und überraschend groß werdenden Tiere jedoch in der Natur aus. Heute ist die Art auf allen Kontinenten, außer der Antarktis, vertreten.

T. scripta ist ein Allesfresser und steht ganz oben in der Nahrungskette. Sie frisst Amphibienlarven, Wirbellose und Pflanzen und stellt damit eine Gefahr für die heimische Flora und Fauna dar. Die genauen Auswirkungen auf die Bestände heimischer Arten sind jedoch noch wenig untersucht, es besteht Forschungsbedarf. Nachgewiesen ist außerdem eine Konkurrenz zur heimischen Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis), die aber nur noch vereinzelt in Brandenburg und nicht in Berlin vorkommt.

 

Die Unterart T. scripta elegans zeichnet sich durch ihre roten Wangen aus. Foto: Andrea Chemello, CC-BY

Die Gelbbauch-Schmuckschildkröte (T. scripta scripta) hat einen gelben Streifen hinter dem Auge.
Foto: Lutz Krause

Beobachtungen von Schildkröten in Berlin.
Datenquellen: ArtenFinder Berlin, iNaturalist

Ungeahnte Schildkrötenvielfalt in Berlin

1997 wurde der Import von T. scripta in die EU verboten, seit 2016 ist auch der Handel hier geborener Exemplare untersagt. Heute haben jedoch andere Süßwasserschildkröten aus Amerika und Asien die Buchstabenschmuckschildkröte im Tierhandel ersetzt. Und diese Arten haben inzwischen ihren Weg ins Freiland gefunden: So wurden die Hieroglyphen-Schmuckschildkröte (Pseudemys concinna), die Mississipi-Höckerschildkröte (Graptemys pseudogeographica kohnii) und die Florida-Rotbauchschildkröte (Pseudemys nelsoni) bereits in Berlin beobachtet. In Europa wurden mindestens 13 Arten von Süßwasserschildkröten im Freiland nachgewiesen (Kalaentzis et al., 2023), alleine im Altrhein bei Kehl wurden sechs Arten beobachtet (Schradin, 2020). Wir gehen daher davon aus, dass auch in Berlin weitaus mehr Arten vorkommen. 

Lange nahm man an, dass das Klima in Deutschland es gebietsfremden Schildkröten nicht erlauben würde, Nachwuchs zu produzieren. Eine Studie von Tietz et al., (2023) konnte jedoch nachweisen, dass drei ursprünglich in Nordamerika beheimatete Schildkrötenarten sich erfolgreich im Freiland bei Freiburg etablieren und fortpflanzen konnten. Wir wollen nun Hinweise sammeln, ob Schildkröten sich auch in Berlin vermehren und stabile Populationen bilden könnten.

 

Vorne: Hieroglyphen-Schmuckschildkröte (P. concinna), hinten: Rotwangen-Schmuckschildkröte (T. scripta).
Foto: Annika Lindqvist, CC-BY

Mississipi-Höckerschildkröte
(G. pseudogeographica kohnii)
Foto: Stiftung Naturschutz Berlin/Astrid Kinateder

Florida-Rotbauchschmuckschildkröte (P. nelsoni)
Foto: Peter Chen 2.0, CC-BY

 

Von links nach rechts: Hieroglyphen-Schmuckschildkröte (Pseudemys concinna), Mississipi-Höckerschildkröte (Graptemys pseudogeographica kohnii), Rotwangen-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta elegans), Gelbbauch-Schmuckschildkröte (T. scripta scripta). Fotos: Stiftung Naturschutz Berlin/Astrid Kinateder (1-3), Norbert Kenntner (4).

Gebietsfremde Schildkröten im Jungfernheideteich

Der Jungfernheideteich liegt im Zentrum des Volkspark Jungfernheide im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Das Gewässer wird von den Berliner*innen auf vielfältige Weise genutzt: zum Baden, Eislaufen oder den Besuch der Insel. Doch auch gebietsfremde Schildkröten fühlen sich hier besonders wohl, nachdem sie von ihren ehemaligen Besitzer*innen hier ausgesetzt wurden. Mindestens drei Arten konnten bereits nachgewiesen werden. Wir vermuten jedoch, dass die Vielfalt noch größer ist. Darüber hinaus bietet das sandige Ufer ideale Voraussetzung für die invasive T. scripta, sich fortzupflanzen. Ob auch andere Berliner Gewässer eine ähnliche Vielfalt von Schildkrötenarten aufweisen, ist noch unklar.