Kleingärten: Refugien der Artenvielfalt in Berlin

Molche im Teich, Igel im Laubhaufen, Nashornkäfer im Kompost: Kleingärten sind wichtige Rückzugsorte für viele bedrohte Arten, deren natürliche Lebensräume durch die Bebauung und intensive Landwirtschaft zunehmend verloren gehen. In Berlin ist die Situation ganz besonders: Die über 66.000 Kleingärten nehmen etwa drei Prozent der Landesfläche ein – so viel wie alle Berliner Naturschutzgebiete zusammen und mehr als in jeder anderen vergleichbaren Großstadt. Aber warum finden viele Tierarten gerade in den Kleingärten ein geeignetes Zuhause? Und welche ökologische Bedeutung folgt daraus für die grünen Oasen?

Mehr als nur Gemüsebeet und Trampolin

Ursprünglich waren Kleingärten für zwei Dinge gedacht: Erholung und Ernährung – hier sollte Obst und Gemüse wachsen. Dies ist auch heute noch so und sogar fest im Bundeskleingartengesetz verankert. Dort stehen Richtlinien zur Bewirtschaftung, Bebauung und zum Naturschutz. Es liegt aber in den Händen der Kleingärtner*innen, wie sie die Vorgaben auslegen und umsetzen wollen. Besonders Naturschützer*innen sind daher der Meinung, dass die Gartenfreunde damit eine besondere ökologische Verantwortung tragen.

Und heute weiß man: Kleingärten sind viel mehr als nur Gemüsebeet und Trampolin. Es gibt Hinweise darauf, dass Kleingärten kleine Hotspots der Artenvielfalt in der Stadt sind. 2008 haben Kleingärtner*innen über drei Jahre hinweg die Diversität von Kulturpflanzen in deutschen Kleingärten kartiert. Das Ergebnis: Sie haben mehr als 2.000 verschiedene Pflanzenarten entdeckt und konnten zeigen, dass Kleingärten eine höhere Pflanzenvielfalt als andere urbane Grünflächen besitzen. Außerdem haben ehrenamtliche Nachwuchsartenkenner*innen 2020 in sieben Berliner Kleingartenanlagen Wildbienen kartiert und dort über 80 Arten gefunden. 13 Prozent davon stehen auf der Roten Liste Berlins, sind also gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Kleingärten sind also besonders artenreich – aber warum?

Vor dem Aussterben gerettet

In einer einzigen Parzelle lassen sich viele verschiedene Lebensräume finden: Ein fischfreier Gartenteich bietet Amphibien und Libellen ein Zuhause. Obstbäume sind Tagesquartier für Fledermäuse. Hecken sind Ruhestätten, Nistplätze und Früchtespender für Vögel. Blütenpflanzen bieten Nektar für bestäubende Insekten an. Zauneidechsen profitieren vom reichen Insektenangebot. Alles in einem Garten! Und noch besser: Eine komplette Anlage kann ein Flickenteppich solch vielfältiger Gärten sein. So können auch relativ kleine Anlagen – sofern sie ökologisch und naturnah bewirtschaftet werden – die Ansprüche von vergleichsweise vielen Arten erfüllen.

Es gibt aber ein Problem: Es liegen kaum verlässliche Daten über die Artenvielfalt in Kleingärten vor, meistens werden Einzelfälle beschrieben. Manche dieser Anekdoten machen aber Hoffnung – so wie in der Kleingartenanlage Falkenhöhe Nord in Berlin-Lichterfelde. Dort haben Kleingärtner*innen im Sommer 2022 die vom Aussterben bedrohte Rotbauchunke bei sich in der Anlage nachgewiesen. Die Rotbauchunke ist europarechtlich geschützt und kommt in Berlin nur noch an einem einzigen Ort im Nordosten der Stadt vor. Während die Gewässer in ihrem natürlichen Lebensraum bereits sehr früh im Jahr 2022 austrockneten, haben einige Tiere sich in die Teiche der Gartenfreunde gerettet. Dieses Beispiel zeigt: Berliner Kleingärten können als Trittsteinbiotope dienen und Arten vor dem regionalen Aussterben bewahren. Um aber wirklich zeigen zu können, welche Rolle Kleingärten für die urbane Artenvielfalt spielen, brauchen wir mehr als Anekdoten – wir brauchen verlässliche Daten.

Wertvolle Daten aus Kleingärten

Das Sammeln von Daten in Kleingartenanlagen ist eine große Herausforderung. Die vielen Parzellen und Pächter*innen machen alleine die Terminfindung für eine flächendeckende Untersuchung so gut wie unmöglich. Eine gute Datenlage ist aber extrem wichtig für den Artenschutz. Mit dem ArtenFinder bieten wir ein Werkzeug an, mit dem Berliner Kleingärtner*innen selbst wilde Tiere, Pflanzen und Pilze in ihren Gärten per Foto dokumentieren und so wertvolle Daten für den Berliner Artenschutz sammeln können. Und dabei bekommen sie Unterstützung. Denn unsere Artexpert*innen überprüfen jede Meldung und helfen bei der Bestimmung.

Jede Meldung ist wichtig und kann dabei helfen, Artenrückgänge frühzeitig zu erkennen, Gefährdungen einzuschätzen und Schutzmaßnahmen zu entwickeln. Für Kleingärtner*innen besonders interessant: Sollten europarechtlich geschützte Arten wie Kammmolch, Rotbauchunke, Zauneidechse oder Fledermäuse in den Kleingärten leben, könnte dies ein gutes Argument für das langfristige Bestehen der Anlage sein. Nehmen Sie Ihren Kleingarten also mal genauer unter die Lupe und werden Sie ArtenFinder*in. Jetzt registrieren >>

 

Redaktion: Lea Lakendorf, Alice Kracht