Rückblick: Schmetterlinge bestimmen für Einsteiger*innen

Die Koordinierungsstelle Fauna der Stiftung Naturschutz Berlin hat das Ziel, die Artenkenntnis in Berlin zu stärken. Dafür bieten wir im Rahmen der Artenkenntnis-Initiative Bestimmungskurse für ausgewählte Insektengruppen an. Im Jahr 2022 haben wir das erste Mal einen 12-teiligen Kurs für Tagfalter angeboten. Erfahren Sie hier, wie ein typischer Kurstag ablief, welche Inhalte vermittelt wurden und was das Highlight des Kurses war.

Der Nachwuchs fehlt

Die Bestimmungsliteratur im Tagfalter-Kurs. Foto: Felix Riedel

„Ein weißer Schmetterling mit schwarzen Flecken auf der Oberseite? Ein Kleiner Kohlweißling (Pieris rapae), ganz klar.“ Aber stimmt das wirklich? Denn vor kurzem ist seine Zwillingsart – der Karstweißling (Pieris mannii) – aus dem Süden nach Brandenburg und Berlin eingewandert. Beide Arten unterscheiden sich nur durch die Größe und Form ihrer Apikal- und Diskalflecken. Doch selbst für Profis reicht dieses Merkmal manchmal nicht aus, dann müssen die Raupen verglichen oder das Erbgut untersucht werden. Leider mangelt es bereits an Personen, die überhaupt von der Zwillingsart wissen. Um Nachwuchs auszubilden, haben wir deshalb in diesem Jahr einen Bestimmungskurs für Tagfalter angeboten.

An insgesamt zwölf Terminen à zwei Stunden hat Dr. Oliver Schmitz, Vorsitzender der Entomologischen Gesellschaft Orion Berlin (EGOB), die Teilnehmenden in die artenreiche Welt der Schmetterlinge eingeführt. Der Schwerpunkt lag auf in Berlin und Brandenburg heimischen Arten. Das Ziel: Fachwissen über Tagfalter und ihre Ökologie aufbauen und vertiefen. An welchen Pflanzen fressen die Raupen? In welchen Lebensräumen kommen die Falter vor? Wie viele Generationen bilden sie und in welchem Stadium überwintern sie? Diese und weitere Fragen wurden während eines normalen Kurstags beantwortet. Doch wie lief so ein Kurstag ab?

 

Trockenübungen

Der Grüne Zipfelfalter ist in Berlin vom Aussterben bedroht. Foto: Felix Riedel

Als erstes packt der Tagfalter-Experte ganz vorsichtig die Holzkästen mit den Falterpräparaten aus. Die Teilnehmenden sind schon neugierig auf die Tiere, doch zuerst kommt die Theorie: Heute geht es um Zipfelfalter. Eine spannende und farbenfrohe Gruppe, die oft im Verborgenen lebt und daher ohne gezielte Suche selten gesichtet wird. Illustriert mit ausgezeichneten Fotos gibt es geballtes Wissen über die Lebensweise, Ökologie und Bestimmungsmerkmale der Arten. Immer wieder kommen Fragen auf, die häufig sehr komplex sein konnten: „Hybridisieren die Zipfelfalter?“ „Ausschließen kann ich es nicht, aber untersucht wurde das meines Wissens noch nicht“, antwortet der Experte.

Dann geht es an die Kästen. Mit Bestimmungsbüchern und dem gerade Gelernten bestimmen die Kursteilnehmer*innen die präparierten Falter. Manche Art zeigt dabei erst auf der Unterseite ihre wahre Pracht: So ist die Oberseite des Grünen Zipfelfalters (Callophrys rubi) eher unscheinbar braun. Ein Blick darunter offenbart jedoch beeindruckend schillernde grüne Schuppen. Wer fertig war, ließ die eigenen Bestimmungen vom Profi überprüfen und bekam den nächsten Kasten.

"Aus meiner Sicht hatte der Kurs die wirklich perfekte Mischung aus Wissensvermittlung, Übungen an den Präparaten und Exkursionen. Auch der regionale Bezug war sehr hilfreich.“ – S. Schlütter, Kursteilnehmer

An den folgenden Kurstagen wurden alle weiteren Tagfaltergruppen behandelt: Die Ritterfalter mit dem bekannten Schwalbenschwanz, die Edelfalter, zu denen neben den Schillerfaltern auch das Tagpfauenauge zählt. Ebenso wurden die schwierigen Gruppen der Bläulinge, Weißlinge und Scheckenfalter vorgestellt. Auch die weniger bekannten Gruppen der Dickkopffalter und Perlmutterfalter blieben nicht außen vor. Den Abschluss bildete ein kleiner Exkurs in die noch viel vielfältigere Welt der Nachtfalter.

 

Praxistest

Die Exkursionen führten in den Freizeitpark Marienfelde. Foto: Felix Riedel

Highlight des Kurses waren die beiden Exkursionen in den Freizeitpark Marienfelde, einem überwachsenen Müllberg im Süden Berlins. Unter der Federführung von Björn Lindner hat sich dieser Ort in den letzten zwanzig Jahren zu einem wahren Hotspot der Artenvielfalt in Berlin entwickelt. Hier lernten die Teilnehmenden alles Praktische über Tagfalter: Schmetterlinge mit dem Kescher fangen, das „Handling“ der Tiere ohne sie zu verletzen und dass Geduld, Geschick und gute Reflexe zum Fangen nötig sind.

Die Mühen der vergangenen Wochen hatten sich gelohnt. Die Teilnehmenden konnten auf beiden Exkursionen insgesamt über 20 verschiedene Arten beobachten. Darunter auch solche, die in Berlin selten geworden sind, wie der Braunkolbige Braun-Dickkopffalter (Thymelicus sylvestris). Zum Ende zeigten Schmitz und sein Sohn, wie es bei den Profis abläuft. Jeder kleine, weiße Schmetterling wurde gefangen und leidenschaftlich diskutiert, ob es sich nun um einen „rapae“ oder „mannii“ handele – manchmal ohne abschließendes Urteil. Allen anderen schwirrte ein wenig der Kopf.

 

So geht es weiter

Im nächsten Jahr werden wir wieder einen Einsteigerkurs zum Thema Tagfalter anbieten. Dabei ist es uns wichtig, dass sich die Teilnehmenden möglichst langfristig mit einer Artengruppe auseinandersetzen wollen. Denn nur so kann der Weg zum*r Artenkenner*in gelingen. Deshalb werden wir - wie bei allen bisherigen Kursen - um ein Motivationsschreiben bei der Bewerbung bitten. Achtet also auf Ankündigungen auf unserer Webseite oder auf unseren Social-Media-Kanälen!

Ihr wollt direkt anfangen? Dann nutzt den ArtenFinder und ladet eure eigenen Schmetterlingsfotos hoch - am besten Ober- und Unterseite. Unsere Experten überprüfen eure Bestimmungen und ihr lernt direkt von den Profis. Jetzt registrieren >>

 

 

Redaktion: Felix Riedel, Yannick Brenz

Veröffentlicht: 29.11.2022