2. ArtenFinder-Berlin-Treffen am Kienberg

Beim jährlichen ArtenFinder-Berlin-Treffen kommen Berliner ArtenFinder*innen zusammen, um sich mit anderen Naturbegeisterten auszutauschen, mehr über die Naturbeobachtung zu lernen und gemeinsam die Stadtnatur zu erkunden. Am 21. September fand das 2. Treffen im Umweltbildungszentrum im Kienbergpark mit knapp 30 Teilnehmenden statt. Neben spannenden Vorträgen gab es artenreiche Exkursionen und jede Menge Austausch. (Titelbild: Grün Berlin / Jon A. Juarez)

Altes und Neues beim ArtenFinder

Yannick Brenz, Koordinator des ArtenFinder Berlin, hieß alle Teilnehmenden herzlich willkommen und startete direkt mit einer frohen Botschaft: Im letzten Jahr wurde die Marke von 10.000 Meldungen geknackt – ein neuer Rekord! Aber Quantität ist bekanntlich nicht alles: Wie vielfältig sind die Meldungen? Und wie steht es um die Qualität?

Zum jetzigen Zeitpunkt wurden in Berlin etwas mehr als 3.000 Arten durch die Expert*innen bestätigt (1.126 weitere Arten sind als „Hinweis“ eingestuft oder noch in Prüfung). Und es werden stetig mehr – jedes Jahr kommen etwa 350 neue Arten hinzu. Auch die Datenqualität hält Schritt: Aktuell sind 97% aller Meldungen geprüft. Und wir bekommen Verstärkung durch sechs weitere Experten, auch für speziellere Gruppen, z.B. von Benjamin Palm für Ameisen, Dr. Hendrick Borucki für Hundertfüßer und Prof. Matthias Jentzsch für Zweiflügler.

Auch im Jahr 2025 gab es wieder viele besondere Beobachtungen: ein Fortpflanzungsnachweis der Grünen Flussjungfer (Ophiogomphus cecilia) , Mäusebussarde mit GPS-Sendern, der zweite Nachweis des Schwarzhörnigen Walzenhalsbocks (Phytoecia nigricornis) in Berlin, zwei neue (ausgesetzte) Schildkröten-Arten, Raupen des Segelfalters (Iphiclides podalirius) und viele mehr. Alle Highlights finden Sie im Vortrag (PDF).

 

Tolle Nachrichten! Die Meldungen im ArtenFinder Berlin nehmen stetig zu. In 2024 wurde mit mehr als 10.000 Meldungen der bisherige Höhepunkt erreicht.

 

Die Grüne Flussjungfer ist eine Charakterart von naturbelassenen Fließgewässern. Die Stadtnatur-Rangerin Luise Charlé hat eine Exuvie der in Berlin extrem seltenen Art gefunden und konnte so ihre Fortpflanzung nachweisen. Foto: Stiftung Naturschutz Berlin/Luise Charlé

 

Der Segelfalter breitet sich seit 2024 stetig in Berlin Richtung Norden aus. Dargestellt sind Beobachtungen aus 2024 (orange) und 2025 (Falter-Symbol).

Warum immer wieder ins selbe Gebiet?

Dieser Frage ging André Eden im zweiten Vortrag (PDF) anhand seines Lieblingsgebiets, dem Hahneberg, auf den Grund. Seine erste Erkenntnis: Man schärft den Blick für neue und seltene Arten. Kennt man die Arten im „eigenen Gebiet“ sehr gut, dann stechen ungewöhnliche Beobachtungen schnell hervor. So fielen André manche Neuankömmlinge direkt auf und er konnte einige Erstnachweise für den Hahneberg erbringen, z.B. den Großen Feuerfalter (Lycaena dispar), den Wegerich-Scheckenfalter (Melitaea cinxia), die Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera) und den Brauner Moosbart (Bryoria fuscescens).

Ist man regelmäßig im selben Gebiet, fängt man mit der Zeit auch an, Veränderungen zu bemerken, z.B. die Ausbreitung invasiver Pflanzen, Auswirkungen durch Trockenheit oder Müll. Man fühlt sich für das Gebiet verantwortlich und nimmt eine Kontrollfunktion ein, sei es durch das Entfernen von Abfall oder darin, Besuchende auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen. Schließlich möchte man vielleicht auch bei anderen die Faszination für das „eigene Gebiet“ wecken, indem man Führungen gibt und sich ehrenamtlich engagiert.

 

André plädiert dafür, auch immer wieder im selben Gebiet zu beobachten. Foto: Jonathan Neumann

 

Sein Gebiet ist der Hahneberg. Das 40h große Naturreservat setzt sich zusammen aus dem Naturschutzgebiet "Fort Hahneberg" im Nordwesten und dem größeren Landschaftsschutzgebiet mit dem Hahneberg.

 

Im Mai 2025 hat André den Erstnachweis für den Wegerich-Scheckenfalter (Melitaea cinxia) am Hahneberg erbracht. Mehrere Falter hattes es wohl aus der Döberitzer Heide hierhin geschafft. Foto: André Eden

Was bewirken ArtenFinder-Daten?

Auf der sogenannten „Unionsliste“ stehen invasive Arten von europaweiter Bedeutung. Alle sechs Jahre müssen die EU-Staaten ihre Verbreitung an die EU melden, u.a. um ihre Ausbreitung verfolgen und eindämmen zu können. Charlotte Keyßer, Botanikerin und bei der Stiftung Naturschutz Berlin (SNB) für invasive Flora zuständig, hat in ihrem Vortrag (PDF) gezeigt, welchen Beitrag die Berliner ArtenFinder*innen zu diesem Bericht geleistet haben.

In Deutschland wurden bisher 53 Arten der Unionsliste im Freiland nachgewiesen, davon wurden in Berlin 24 Arten beobachtet (zehn Pflanzen, fünf Wirbellose, zehn Wirbeltiere). Fast die Hälfte aller Datensätze für den EU-Bericht stammten von den ArtenFinder*innen – ein beeindruckendes Ergebnis! Die fünf am häufigsten gemeldeten Arten waren: Götterbaum, Waschbär, Buchstaben-Schmuckschildkröte, Nilgans und Nutria. Anhand von vier Arten zeigte Charlotte beispielhaft, dass allein die ArtenFinder-Daten einen großen Teil Berlins abdecken konnten. Für den Waschbären und den Kamberkrebs konnten einzelne EU-Rasterzellen sogar ausschließlich durch ArtenFinder-Daten belegt werden.

Weitere wichtige Datenquellen waren die Obere und Unteren Naturschutzbehörden, das Fischereiamt, die Berliner Forsten und andere Beobachtungsportale wie Ornitho, iNaturalist und FloraIncognita.

 

Invasive Arten umfassen verschiedene Kategorien. Im Vortrag ging es vor allem um die Arten der "Unionsliste". Foto: Jonathan Neumann

 

Das Fischereiamt war die Hauptdatenquelle für Nachweise des Kamberkrebses. In zwei Quadranten (4 & 15) lagen jedoch ausschließlich Beobachtungen aus dem ArtenFinder vor. Datenquellen: Fischereiamt (dunkelblau), iNaturalist (hellgrün), ArtenFinder (dunkelgrün), Sonstige (hellblau).

 

Im August 2025 wurde die Unionsliste um weitere Arten ergänzt, auch dabei: die Staudenknöteriche (Reynoutria sp.).

Tipps und Tricks vom Ranger

Im letzten Vortrag lieferte Romain Clément, Fachranger bei der SNB, Tipps für die Beobachtung und Dokumentation von Heuschrecken und Libellen. Das Wichtigste: Scharfe Bilder! Ideal sind Bilder von oben, von der Seite und von vorne – eine Faustregel, die sowohl für Libellen als auch für Heuschrecken gilt. Er ermutigte die ArtenFinder*innen dazu, mehr Tonaufnahmen von Heuschrecken zu machen. Die Gründe: Manche Arten (z.B. der Gattung Chorthippus) lassen sich in der Regel nicht durch Fotos sondern nur über den Gesang bestimmen. Auch in den Bäumen lebende Arten können so erfasst werden.

Die Meldung einer erfolgreichen Fortpflanzung ist besonders wertvoll für den Naturschutz. Das kann zum Beispiel durch die Jungstadien passieren. So plädierte Romain dafür, auch die Exuvien, die Häutungen von Libellenlarven, zu dokumentieren und zu bestimmen. Für Libellen kann aber auch die Eiablage eine bedeutende Info sein – sowieso ein guter Moment, um die flinken Jäger zu fotografieren.

Die Libellenfotografie ist sehr anspruchsvoll. Doch Romain hatte ein paar Tricks parat. 1. Auf Wetter und Uhrzeit achten: Am Morgen und Vormittag hat man die beste Chance, auf ruhende und schlafende Tiere zu treffen. 2. Geduld: Es hilft, die fliegenden Tiere eine Zeit lang zu beobachten und ihre Jagdroute und regelmäßigen Ansitze zu fokussieren. 3. Langsam bewegen: Libellen können sehr gut gucken und fliehen bei schnellen Bewegungen. Eine Kamera mit Zoom-Objektiv hilft, die Fluchtdistanz zu überbrücken.

 

Ein Foto von der Seite hilft, um die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) von der Blauflügeligen Sandschrecke (Sphingonotus caerulans) zu unterscheiden. Fotos: Romain Clément 

 

Die Eiablage ist eine gute Gelegenheit, um die sonst so schnellen Libellen abzulichten - und ein wichtiger Hinweis auf Fortpflanzung. Foto: Romain Clément

 

Mit ein bisschen Übung, einem Binokular und der richtigen Literatur sind Exuvien ein toller Nachweis für Libellen. Die Exuvie des Zweiflecks ist u.a. anhand der Dornen auf dem Abdomen zu erkennen. Foto: Romain Clément

Exkursionen zu Pflanzenfressern und Wuhle-Bibern

Nach dem Mittagessen teilten die Teilnehmenden sich in zwei Gruppen auf und erkundeten den Kienberg auf Exkursionen. Eine Gruppe folgte dem Vogelexperten Toni Becker über den Wuhleteich, wo sie neben zahlreichen Vogelarten auch einen fressenden Bisam, eine invasive Art der Unionsliste, entdeckten. Toni wies darauf hin, wie bedeutend die Angabe von Brutverhalten bei der Meldung von Vogelbeobachtungen sei. So habe die Meldung von zwei Graureihern in einem möglichen Bruthabitat schon eine ganz andere Bedeutung als ein einzelnes Tier. Als die Gruppe weiterging, konnte sie sehr gut kleine Dämme des Bibers beobachten, die immer wieder kleine Bereiche der Wuhle aufstauen.

Der Käferexperte Jens Esser zog mit seiner Gruppe Richtung Kienberg und nahm die pflanzenfressenden Insekten am Wegesrand unter die Lupe. Die Gruppe fand eine beeindruckende Anzahl des Karden-Blattkäfers (Galeruca pomonae), von dem es nur wenige Vorkommen in Berlin gibt - der Kienberg scheint ein Hotspot zu sein. Außerdem konnten der Kürzrüsslige Distelrüssler (Larinus obtusus), erst seit diesem Jahr in Berlin dokumentiert, sowie der Erdbeer-Glanzkäfer (Stelidota geminata), ursprünglich aus Nordamerika stammend und seit wenigen Jahren in Deutschland, beobachtet werden. Auf dem Rückweg zeigte sich dann ein letztes Highlight: die junge Raupe eines Segelfalters!

Andreas Duckwe freute sich bei den Exkursionen sehr über die Schwarmintelligenz der Teilnehmenden: "Sehr gute Exkursionen mit immer wieder sehr nützlichen Hinweisen auch von den „begleitenden“ Experten wie Romain, Hendrik und Jonathan."

 

Der Rübsaatpfeifer (Evergestis extimalis) fliegt von Juni bis August. Seine Raupen sind einzeln oder in Gruppen in losen Gespinsten an Kreuzblütlern zu finden. Foto: Frederik Rothe

 

Die Veränderliche Hummel (Bombus humilis) kommt in zahlreichen Farbvarianten vor. Sie gilt in Deutschland als gefährdet. Foto: Fredrik Rothe

 

Die Raupe des Segelfalters frisst an Arten der Gattung Prunus, z.B. Schlehe, Felsenkirsche, aber auch neuerdings an der Spätblühenden Traubenkirsche. Foto: Yannick Brenz

 

Vielen Dank an alle Vortragenden und Exkursionsleiter für euer Wissen und euer Engagement, an das Umweltbildungszentrum am Kienbergpark für die Bereitstellung eurer Räume und die Unterstützung und an alle Teilnehmenden für euer Interesse!

 

Redaktion: Yannick Brenz